Cho Oyu, 8201m (Tibet/Nepal)

Teil 2: Basecamp - Akklimatisation - Gipfelgang - Basecamp

So, jetzt ich! Mit Herzklopfen aber insgesamt O.K. fahre ich zum zweiten (UND LETZTEN) Mal die Eiswand ab. 13h26 am Seilende. Zum Glück kein Betrieb. Päuschen! Eigentlich kann jetzt nicht mehr viel schief gehen - eigentlich. Jetzt eine Stunde hier bleiben und nur schauen... Geht leider nicht, Gruppenreise eben. Die Zelte von Lager 1 sind immer noch winzig. Hey – sind unsere etwa schon abgeräumt? WEIT unten das Basislager unten. Wird womöglich ein Fall für die Stirnlampe. Der Jobo Rabzang (6666m) ist wieder ebenbürtig. Um 13h48 weiter. Auf 15h00 zum Lager 1 wird schwierig. Mit „Black Betty“ von Ram Jam im Kopf (Wie komme ich jetzt darauf? Naja, da hatten wir ja schon Schlimmeres. Irgendwelche üblen Schlagerschnulzen zum Beispiel...) weiter abwärts. Tja, die erste Begegnung mit dem Eisbruch schemenhaft im Nebel – lang ist’s her. Spärlicher Gegenverkehr. Ich versuche, einigermaßen zügig zu gehen. Die letzten Abseilstrecken, eine nette Panoramaabfahrt mit Prachtausblick, ich sollte mich aber besser konzentrieren. Kleine, bittere Gegensteigungen, dann die letzten Meter zu Lager 1. 6400m, fast schon auf Meereshöhe - kommt mir jedenfalls so vor. Das Lager ist schon ziemlich in Auflösung begriffen. Zwei der Spanier haben’s nicht geschafft. Ich gehe noch kurz (schnauf!) zu unserem Lager. Nix mehr da, nur ein Zettel für mich. Alle Sachen sind unten. Tja, Lager 1, vor drei Wochen im Basislager das ferne Ziel, jetzt schon fast ein Stück Heimat. Üble Nächte (z.B. mit Schnarchen, Sturm, Durchfall...) – jetzt schon im Reich der Anekdoten angekommen. So, dann mal langsam für den letzten Killerhang-Abstieg rüsten. Zwei unserer spanischen Nachbarn hatten offenbar eine üble Nacht auf Lager 3 und mussten absteigen. Sie wollen’s aber noch mal versuchen. [PS: Sie haben’s auch geschafft!] Erst um 16h21 geht’s weiter abwärts. Zu Anfang ganz gut. Dann wird’s immer langsamer. Ich werde auf jeden Fall in die Dunkelheit kommen. Rucksack unten deponieren und ohne Gepäck zum Basecamp? Ist irgendwie auch blöde. Freibiwak am Fuße des Killerhangs? Gibt wahrscheinlich mächtig Ärger. Am Felsriegel muss ich erst mal Pause machen. Wunderbares Licht auf die jetzt wieder riesig hohe „Killerhangspitze“ und den Nangpai Gosum. Das Freibiwak kristallisiert sich als die sicherste Variante raus. Nachts kaputt und mit schlapper Lampe Steinmanderl bis zum Basislager suchen? Wäre wohl nicht gut für Knie und Knöchel, auch wenn der Anschiss kleiner ausfallen würde. Vielleicht muss ich die Truppe mal im Shangri-La freihalten. Blöd, dass ich den Spaniern nicht Bescheid gesagt habe! Wobei ja alles gepasst hätte, wenn ich gestern noch bis Lager 2 abgestiegen wäre. Hatte D.G. nicht gesagt, zwei Nächte im Lager 3 wären tabu? Es hätte ja sogar noch gepasst, wenn heute nicht die Abseilstaus gewesen wären. Aber so... O.K., mein höchste Freibiwak also! Mit „Roxanne“ von Police die letzten Kehren nach unten. Um 18h01 ist es geschafft! Nie wieder Killerhang! Wo ist der rote Teppich? Sachen auf eine der Zeltplattformen abladen. Ob das nicht doch 20kg sind? Zu viel mitgeschleppt, vor allem Mampf. Letzter Schluck. Matte aufpumpen, in die Daunentüte. Einsatz Pinkelpulle – oha, Farbe lässt auf ziemliche Dehydrierung schließen. Diese Nacht muss noch gehen – gilt ebenso für die Kontaktlinsen. Dass die Aktion Cho Oyu gesund ist, hat ja nie einer behauptet. Den Energieriegel zuende essen. Der war heute die einzige feste Nahrung. Die Route in der Cho Oyu-Postkarte wird genussvoll ergänzt. Tja, eigentlich müsste ich jubeln – 8201m! Vielleicht kommt’s noch... Aber noch mal 8000 – no way! Erst mal diese Nacht rumkriegen. 19h30. Wecker auf 4h30, damit ich vor dem Frühstück im Basislager bin. Eine lauschige Himalaya-Nacht auf 6000m. Ein letzter ungestörter Dialog mit den Gipfeln, bevor die Base-Camp-Hektik mich wiederhat. Irgendwie möchte ich jetzt gar nicht im Lager sein. So ist der Abschluss viel stimmiger! Wäre natürlich schön, wenn’s heute nacht keinen Schneesturm gäbe...